Fotografie kann manchmal kinderleicht sein. Ein Pinsel, ein Blatt Papier und etwas lichtempfindliche Flüssigkeit – Du benötigst für sogenannte Blaupausen nicht einmal eine Kamera oder eine Dunkelkammer. Belichtet wird Dein Bild zum Beispiel in der Natur, im Sonnenschein eines schönen Sommertages. Das Vorgehen ist so einfach, dass selbst Kindern im Vorschulalter ohne große Fotolaborkenntnisse kleine Kunstwerke zaubern. Und ein wenig magisch erscheint es tatsächlich jedes Mal, wenn sich plötzlich ein Motiv auf dem Papier zeigt und in herrlich warmen, blauen Farben abbildet.
Vom Bauplan zur Fotokunst
Der Begriff der Blaupause hat sich Ende des 19. Jahrhunderts umgangssprachlich zunächst bei Architekten und Ingenieuren etabliert, die diese Technik nutzten, um Baupläne zu kopieren. Noch nie war jedoch das künstlerische Interesse an der auch als Cyanotypie bekannten Blaupause so groß wie heute. Blaupausen verbinden entschleunigtes Arbeiten mit intuitiven kreativen Techniken, die dem Zufall Raum lassen. Einfache Fotogramme mit aufgelegten Objekten wie Blättern oder Gräsern können bereits ohne fotografisches Vorwissen schnell erstellt werden. Ob Kopien von Scherenschnitten, Zeichnungen oder Negative aus dem Inkjet-Drucker: Das sogenannte „Lichtpausen“ lässt letztlich viel Raum für fotografische Experimente.
Kinderleicht: Papier beschichten und loslegen
Die Arbeitsschritte beim Anfertigen von Blaupausen sind überschaubar. Kauf Dir im Künstlerbedarfsgeschäft (oder im Gartenhandel) sogenannte Cyanotypie-Sets und trage deren lichtempfindliche Flüssigkeit idealerweise auf Aquarell-Papier auf. Nun solltest Du diese Lösung lichtgeschützt eintrocknen lassen, während Du jene Gestaltungsmittel bereitlegst, die Du später auf dem Papier platzieren wirst. Überlege, welche Formen sich für schöne, scherenschnittartige Fotogramme eignen. Lege nun für den Moment der Belichtung das Papier und Deine Fotomotive in die Sonne, bis sich die Papieroberfläche schmutzig grau verfärbt. Sobald Du Deinen Print wässerst stoppst Du den Entwicklungsprozess und das Motiv verfärbt sich blau.
Aus Gelb wird Blau
Die Botanikerin und Lithografin Anna Atkins hat übrigens bereits in den 1840er-Jahren als Erste ein Buch mit Fotogrammen von Pflanzen veröffentlicht, das heute als das erste Fotobuch der Geschichte gilt. Ihr Landsmann, der britische Astronom Sir John Herschel hatte dieses einfache Fotoverfahren 1842 erfunden und es Cyanotypie genannt. Sein völlig ungiftiges Verfahren beruht auf lichtempfindlichen Eisensalzen. Eine zunächst gelbe, lichtempfindliche Schicht oxidiert unter UV-Lichteinstrahlung zu Blau.
Wenn das Meer die Bilder malt
In den 1970er-Jahren haben Pop Art-Künstler wie Robert Rauschenberg mit Cyanotypien experimentiert. Heute gibt es eine Reihe prominenter Fotokünstler, die „kameralos“ arbeiten und ihre Bilder direkt als Fotogramme belichten. Die Österreicherin Eva-Maria Raab ließ beispielsweise bei ihrem Projekt „Re-Turning Around“ die Wellen des Mittelmeers am Strand der griechischen Insel Ithaka über das Cyanotypie-Papier schwappen. Dann markierte sie die in der Sonne getrockneten Wellenränder mit Goldstift und verwandelte ihre Motive in abstrakte Landkarten. Imaginäre Kartografie, die sich auf die Irrfahrten des Odysseus und die Suche nach dem (künstlerischen) Universum bezieht. Und eine Arbeit, die dem Begriff „Wasserfarben“ eine ganz andere Bedeutung gibt.