Japans schrille Fotoszene: Cosplay-Inszenierungen, Fesselsex und Instax-Bilder aus Tokios Fotoszene

Kann Godzilla fotografieren? Wir wissen es nicht. Falls ja, dann wartet er bestimmt als knipsender Spielzeug-Roboter in einem Regal des Tokioter Elektronik-Kaufhauses Yodobashi auf uns. Und fotografiert seine Umgebung auf Knopfdruck mit einer im Plastikmaul versteckten Minikamera, während uns seine Monsteraugen grelle Lichtblitze entgegenschleudern.

Wenn das Kätzchen aus der Kamera miaut

Bei „Yodobashi Camera“, gleich neben Tokios Großbahnhof Akihabara, gibt es so ziemlich alles, was sich der Besucher in seinen kühnsten Fototechnik-Träumen vorstellen kann – von der schrägen Toy Camera mit Plastiklinse bis zu den neuesten Hightech-Boliden asiatischer Kamerahersteller. Japans Fotoszene gibt sich hier hinter den blinkenden Leuchtreklameschildern der Hausfassaden im Tokioter Szeneviertel Shibuya jünger, verspielter und lebendiger als Europas Fotohandel. Hier überraschen 7000 Euro teure Kameraboliden auch mal optional mit einem Auslöser-Sound, der das Miauen von Kätzchen imitiert. Aus Sorge, dass Spanner lautlos Fremde in der Öffentlichkeit knipsen könnten, hat Japan vorgeschrieben, dass jede Kamera stets hörbare Auslösegeräusche von sich gibt. Auf Wunsch eben auch Katzensound.

Nicht nur bei Yodobashi wird sich mancher europäische Besucher bisweilen fühlen wie der Schauspieler Bill Murray 2004 in dem Kultfilm „Lost in Translation“: Vieles erscheint uns dieser Tage in Nippon surreal, grell und voller bunter Kontraste. Japan liebt den Gimmick und mancher findet schließlich auch schnell den Weg nach Europa ­– wie etwa die Vorliebe für das Sofortbild der Fujifilm Instax-Kameras, mit dem sich nicht nur Tokios Teenie-Girls gerne ablichten.

Fesselsex und Fotografenhotel

Unter dem Konformitätsdruck der Großstadt bietet das zeitgenössische Tokio viele Möglichkeiten zu kleinen Fluchten in alternative Gegenwelten. Fotografen wie Daido Moriyama werden kultig verehrt, produzieren seit Jahrzehnten im Serienmodus Bildbände und haben sich im Kunstbetrieb etabliert. Moriyama pflegte über viele Jahre seinen Kultstar-Mythos im Kreise von Freunden in Shibuyas „Lip Bar“. In seiner Geburtsstadt Osaka gibt es heute ein Art-Hotel, das ausschließlich mit den Bildikonen des 83-jährigen Meisters der Street Photography ausgestattet wurde. Etwas pikant bei einem Bildermacher, der gerne in Tokios zwielichtigsten Vergnügungsvierteln fotografiert und sagt, er liebe es, „wenn es nach Mensch stinkt.“ Moriyama und sein Künstlerkollege Nobuyoshi Araki sind die heute wohl bekanntesten Fotografen Nippons. Beide liefern uns mit ihren Aufnahmen kontroverse Sinnbilder des modernen Japans, bei beiden verschmelzen Leben und Fotografieren, Öffentliches und Privates zu einer untrennbaren Einheit. Insbesondere Araki rebelliert mit seinen Fesselsex-Bildern in der Traditon des „Kinbaku“ offen gegen die noch allerorten vorherrschende Prüderie im Lande. Wird er deshalb gerade von der jungen Künstlergeneration so verehrt?

Leben in der Parallelwelt

Tokio zelebriert geradezu die kulturellen Gegensätze, die Ausbrüche aus den Konventionen des Alltags. Wo sonst wäre ein Museum der Fäkalienkultur vorstellbar? Wo, wenn nicht hier, zeigt die Lust am Cosplay derartige Blüten? Das Verlangen, mit selbst ersonnenen Phantasie-Uniformen in die Rolle fiktiver Charaktere einer Comic-Parallelwelt zu schlüpfen, lockt mittlerweile auch Horden europäischer Fans nach Japan. Hier hat sich die Fotoszene längst mit eigenen Cosplay-Fotostudios, Fotoblogs, Anime-Clubs und Büchern über das „japanische Hobby“ und die Kunst der Cosplay-Fotografie auf den Trend eingerichtet.

Imaging „Made in Japan“ oder „Made in Germany“ heißt es auch wieder vom 13. bis 16. Oktober auf der PHOTOPIA Hamburg: auf dem Hamburger Messegelände treffen Newcomer auf Global Player und werfen gemeinsam einen Blick in die Zukunft einer Branche, die Millionen User auf der ganzen Welt begeistert.

 

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