Back to the Roots – Slow Photography auf der PHOTOPIA

Film statt Speicherkarte – die Analogfotografie erlebt in den letzten Jahren ein einzigartiges Revival. Doch wer sind diese FotografInnen, welche neuen Entwicklungen gibt es, und in welcher Form nutzen die FotografInnen ihre Bilder im digitalen Zeitalter? Oliver Heinemann, Spezialist für Analogfotografie und Inhaber der Hamburger Khrome-Stores gibt Antworten.

Oliver, Ihr zieht für die Zeit des Festivals nicht nur den kompletten Khrome-Store zur PHOTOPIA um, Ihr habt auch einige spannende, teils internationale Partner eingeladen. Worauf freust Du Dich besonders?

 

Oliver Heinemann: Wir freuen uns sehr, in diesem Jahr den Analogstand der PHOTOPIA kuratieren zu dürfen. Unsere 200qm-Fläche möchten wir nutzen, um vor allem abseits der großen Player die wunderbar bunte Welt der Analogfotografie zusammenzubringen. Es wird jemanden vor Ort geben, der alte Kameras beledert, den Engländer Brendan Barry, der Schiffscontainer zu Kameras umbaut oder auch Camera rescue aus Finnland, die alte Kameras vor dem Müll retten wollen und mit ihrer Cambulance – einem zur Fotowerkstatt umgebauten finnischen Krankenwagen – vor Ort die Kameras der Besucher durch checken. Zudem wird es Talk-Runden auf der großen Bühne geben, bei uns auf der Fläche auch kleinere, intimere Gespräche, in denen unsere Aussteller aus den häufig ja sehr wilden Zeiten erzählen, die praktisch jeder in diesem Segment durchlebt hat.

 

Das klingt nach einem spannenden Konzept für alle Analog-Fans! Wen erwartet Ihr als Besucher, also wer sind die heutigen Analogfotografen?

 

Oliver Heinemann: Zuerst möchte ich dazu sagen: Das Wichtigste an der Analogfotografie ist die Community. Diese nimmt Jeden mit offenen Armen auf, egal, ob es sich um eine Neueinsteigerin mit einer günstigen Point-and-Shoot-Kamera oder einen erfahrenen Semi-Profi handelt. Jeder ist bei uns willkommen und darf uns ausfragen, sich bei uns informieren, ausprobieren und sich umsehen! Zur eigentlichen Frage: Wenn wir von unseren Kunden ausgehen, erwarten wir vor allem Digital Natives, also junge Menschen, die mit digitalen Produkten aufgewachsen sind, zwischen 20 und 25 Jahren. Übrigens mehr Frauen als Männer.

 

Was passiert in unseren digitalen Zeiten eigentlich mit einem analogen Negativ nach der Aufnahme? Wird das als Großformat-Print an die Wand gehängt, klassisch als Fotoabzug entwickelt oder digitalisiert?

 

Oliver Heinemann: Die Nachfrage nach hochwertigen Prints wächst wieder, allerdings ist es nicht ganz einfach, so etwas günstig anzubieten, ohne dass das Bild den analogen Charakter verliert. Die meisten Fotografen lassen ihre Bilder digitalisieren. Tatsächlich ist DSLR-Scanning, also das Abfotografieren von Negativen mit einer DSLR, hier ein großes Thema. Übrigens zu je 50 Prozent wahlweise niedrig auflösend für Social Media oder in hoher Auflösung für weitere Bildbearbeitung und große Prints. Wir sind auf der Messe selbst mit einer 100-Megapixel-Mittelformat-Kamera aktiv, um Analogmaterial mit maximaler Auflösung zu digitalisieren. Der Vorteil dieser Lösung gegenüber einem Scanner liegt vor allem darin, dass die Daten beim Abfotografieren als RAW vorliegen, was dem Fotografen bei der weiteren Bildbearbeitung deutlich mehr Möglichkeiten lässt. Allerdings gibt es hier natürlich in Sachen Equipment und Licht einiges zu beachten. Auch darüber sprechen wir auf der PHOTOPIA und geben gerne Hilfestellung, wenn gewünscht.

 

Das bedeutet, man fotografiert analog, um die Bilder später wieder zu digitalisieren? Was macht unter diesem Aspekt dann den Reiz der Analogfotografie aus?

 

Oliver Heinemann: Die Analogfotografie ist aktuell ein Riesentrend. Zum einen als Gegenpol zur steigenden Digitalisierung, ähnlich wie Vinyl-Schallplatten. Vor allem geht es aber beim Analog-Fotografieren um den Prozess des Fotografierens – Stichwort Slow-Fotografie. Jeder Schuss kostet hier Geld, was dazu führt, dass man sich für das einzelne Bild deutlich mehr Zeit lässt. Wir sehen für Einsteiger die Analog-Fotografie als ein Muss, nicht an Stelle der Digitalfotografie, sondern ergänzend dazu. Basics wie ISO-Werte, Film-Looks, Lichtmessung, die Art, wie Licht funktioniert und viele weitere grundlegende Prozesse lassen sich mit einer Analogkamera einfach deutlich besser vermitteln als mit einer Digitalen, bei der man stets in Versuchung geführt wird, die Kamera alles machen zu lassen. Außerdem hilft eine analoge Kamera der Fotografin oder dem Fotografen, eine intensivere Beziehung zum Motiv aufzubauen.

 

Wie das?

 

Oliver Heinemann: Viele DigitalfotografInnen schauen aus Gewohnheit nach jedem Bild aufs Display, um die Aufnahme kurz zu überprüfen. Dadurch geht die Beziehung zum Motiv, der besondere Moment, verloren, gerade bei Porträts verpasst man so oft den eigentlich viel schöneren zweiten Schuss.

 

Spielt die Kamera-Technik für Analog-Fotografen eine wichtige Rolle?

 

Oliver Heinemann: Ja, klar. Neben dem genannten Prozess machen natürlich auch die Haptik, die Mechanik, die Geräusche einen großen Teil der Analog-Fotografie aus. Andererseits geht es vielen unserer wie gesagt meist jungen Kundinnen in erster Linie ums Fotografieren an sich. Sie suchen nach einem einfachen Tool, mit dem man die Analog-Fotografie betreiben kann und freuen sich über die niedrigen Gebrauchtpreise – und alle lieben natürlich das Analoge an sich. Analog-Fotografie ist physisch, man hat einen Film in der Kamera und später die Bilder in der Hand. Gerade das macht meiner Meinung nach die Analog-Fotografie für Digital Natives besonders interessant. Beispielsweise würde bei einem Handy-Foto niemand fragen, mit welchem Modell ein Bild gemacht wurde. Bei einer Analog-Aufnahme stehen meistens vom Kamera-Modell über das Objektiv und den Film bis zum Entwickler praktisch sämtliche Daten unter einem Post. Hier kommt wieder der genannte Community-Gedanke zur Geltung.

 

Wie sieht es Hardware-seitig aus? Analog-Fotografie boomt, wie reagiert die Industrie auf die steigende Nachfrage?

 

Oliver Heinemann: Kodak baut aktuell zwei neue Fertigungsmaschinen auf, allerdings ist es nach wie vor so, dass das Angebot mit der Nachfrage nicht Schritt halten kann. Es gibt hier zwar Ängste, dass die Preise steigen, das größere Problem ist aber tatsächlich die unplanbare Verfügbarkeit. Selbst Lieferanten wissen zum Teil nicht, wann sie welche bestellten Produkte geliefert bekommen und haben dann plötzlich morgens eine Palette voll Ware im Hof stehen. Das hängt auch damit zusammen, dass Analog-Hersteller in den letzten 20 Jahren einen teils langen Leidensweg durchschritten haben und nach diesem „Gesundschrumpfen“ nun sehr vorsichtig damit sind, wieder in großem Maße zu wachsen.

 

Wie sieht es seitens der Kamera-Hersteller aus? Springen die auf den Analog-Zug nochmal auf?

 

Oliver Heinemann: Der einzige Hersteller, der dieses Segment aktuell bedient, ist Leica. Es wäre toll, von Nikon oder Canon wieder eine neue Analogkamera zu sehen, abzusehen ist das aber leider nicht.


Christopher Gorski (Lab), Anatol Kotte (Galerie) & Oliver Heinemann (Laden), Foto: Max Klein Photography