Auf Tauchgang bei schlafenden Riesen

Schlafen Pottwale wirklich im Stehen? Erst 2008 haben Wissenschaftler Erkenntnisse über das Schlafverhalten der Tiere bekommen. Heute gehören die ruhenden Riesen zu den spektakulärsten Motiven der Unterwasserfotografie ¬– der Franzose Stéphane Granzotto hat sie im Ruherevier besucht.

Der Anblick ist surreal. Lichtstrahlen tanzen im tiefen Blau des Indischen Ozeans und mittendrin schweben hier plötzlich diese bewegungslosen Kolosse. Wie überdimensionierte Hinkelsteine verweilen die Pottwale scheinbar völlig schwerelos vertikal im Wasser. Mit bis zu 41 Tonnen Gewicht und einer Länge von bis zu 16 Metern haben ausgewachsene Bullen die Ausmaße eines Sattelschleppers. Was diese „parkenden“ Pottwale aber wirklich einzigartig macht, ist dieses Schlafverhalten, senkrecht im Meer stehend – nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche.

Die Kurzschläfer müssen alle 30 Minuten Luft schnappen

Nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft verbringen Pottwale nur rund sieben Prozent eines Tages im Schlaf, in Einheiten von meist unter 15 Minuten. Mit gutem Grund: ein Pottwal muss etwa alle 30 Minuten zum Luft holen auftauchen.

Der Filmemacher und Fotograf Stéphane Granzotto begleitet seit vielen Jahren eine Gruppe von Pottwalen. Im Laufe der Zeit hat er das Sozialverhalten der sanften Riesen in vielen Facetten kennengelernt. Er ist mit ihnen durch seichtes Gewässer geschwommen und hat sie beim Spiel fotografiert. Als „absolut herzzerreißend“ empfand der 48-Jährige jedoch den Moment, als er zum ersten Mal mit vorsichtigen, langsamen Tauchbewegungen und in tiefer Ehrfurcht an den schlafenden Giganten vorbeitauchte. Im Gespräch mit dem Bildermacher wird seine Zuneigung und sein Respekt vor den Pottwalen deutlich, denen er bereits einen Bildband gewidmet hat.

Vom heimischen Bach zum Pazifik

Bereits mit zehn Jahren hatte der Franzose zum ersten Mal eine Kamera in der Hand. Im Garten hinter seinem Elternhaus floss ein Bach, dessen Unterwasserwelt ihn schon in der Kindheit faszinierte. Mit 18 Jahren beschloss Granzotto dann erstmals, auf Tauchgang zu gehen. Unabhängig davon intensivierte er sein Interesse für die Fotografie und schon bald führte er seine beiden Leidenschaften zusammen. Heute widmet sich der Fotograf vorzugsweise der Wildlife-, Porträt- und Landschaftfotografie. Auf Tauch-Expedition geht er nie ohne seine Canon R5 mit Unterwassergehäuse. Das zahlt sich aus. Er hat ein fantastisches Unterwasser-Portfolio mit Aufnahmen von den Weltmeeren aber auch aus Binnengewässern.

Respekt und Geduld vorausgesetzt

Die schlafenden Wale sind ein absolutes Highlight unter all seinen Unterwasseraufnahmen. Wie groß ist jedoch die Chance für ambitionierte Amateurfotografen, ähnliche Motive vor das Unterwassergehäuse zu bekommen? Schließlich existieren davon bislang nur wenige Aufnahmen. Trotz intensiver Forschung wurden die Tiere erst 2008 senkrecht schlafend entdeckt, erst weitere neun Jahre später sorgten Fotos von Granzottos Schweizer Kollegen Franco Banfi eine größere Bekanntheit. Dennoch hält Stéphane Granzotto es durchaus für möglich, dass auch Amateurfotografen den Zauber der tonnenschweren schlafenden Riesen erleben können – eine entsprechende Unterwasserausrüstung und zwei grundlegende Charaktereigenschaften vorausgesetzt: Respekt und Geduld. In den Gewässern vor Mauritius und im indischen Ozean ist die Chance am größten, die Tiere anzutreffen. Die ideale Zeit dafür ist im Frühling von April bis Mai. Mit etwas Glück können so auch Sie dieses einmalige Gefühl erleben.

Wer wie Granzotto einmal in die faszinierende Welt der Unterwasserfotografie eintauchen möchte, kann sich vom 13. bis 16. Oktober 2022 auf der PHOTOPIA Hamburg nach der passenden Ausrüstung umschauen und in Masterclasses, Konferenzen, Workshops, Fotowalks, uvm. die eigenen Skills verbessern.

Der Fotograf

Stéphane Granzotto (48) arbeitet als Filmemacher und Fotograf. Er hat über vierzig Fernsehfilme produziert und wurde dafür bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit einer Silbernen Palme bei den internationalen Filmfestspielen in Cannes. Sein fotografisches Werk ist heute breit gefächert, mit einem Schwerpunkt auf Unterwasserfoto. Zu diesem Thema hat der Franzose bereits zwei Bildbände veröffentlicht.
 

Website des Fotografen:
https://www.stephanegranzotto.com/

Fotos: © Stéphane Granzotto

Der Fotograf und Filmemacher Stéphane Granzotto